Sonntags-Gedanken zum Thema, welches jeder satt hat: Social Media is not real.

Ich habe lange überlegt, ob ich auch noch meinen Senf zu dem Hype um Essena O’Neill dazugeben soll.
Die junge Bloggerin betreibt das, was sie am Besten kann: Social Media bzw. Selbstvermarktung. Auch wenn sie sagt, dass es alles Fake ist – dem kann ich nicht ganz zustimmen – macht sie es weiter und besser denn je.

Was ist denn Fake?
Ist es Fake, wenn ich meine Beauty-Produkte schön dekoriere, anstatt neben dem Waschbecken zu fotografieren? Nein, es zeigt nur, dass ich anscheinend für so etwas zu viel Zeit habe. Immerhin sind meine Postings, ausser ich kennzeichne sie (#sponsored, In Kooperation mit, etc.), nicht bezahlt.
Wenn ich bei einem Selfie, einen Filter verwende, der das Licht besser erscheinen lässt? Ist das wirklich Fake? Ich finde nicht, es ist in Wahrheit nicht mehr als was im „wahren Leben“ auch macht, ein filtern, im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich würde es mit einem Date vergleichen. Man zeigt sich von seiner besten Seite, verratet dem Gegenüber nicht, dass man indisches Essen eigentlich hasst und mindestens dreimal täglich mit seiner Mutter telefoniert, sondern gibt sich wie man gerne wirken möchte. Nach spätestens fünf Dates und einer betrunkenen SMS später, weiß derjenige dann auch wen er vor sich hat.

Eine Frage, die sich mir bei diesen Gedanken stellt ist, was ist denn Realität? Meine Realität ist eine ganz andere, wie die von jemanden der in Schweden als Lehrer arbeitet. Warum also nicht bisschen träumen, wenn man durch die angeblichen Realitäten von Instagram scrollt. Darf ich nicht ein bisschen eifersüchtig sein, wenn ich jemanden sehe der gerade Urlaub in Thailand macht oder es schafft anscheinend drei Tage die Woche ins Fitness-Center zu gehen. Ich finde, solange es in einem gesunden Maß geschieht, nichts Schlimmes daran. Klar, ich bin auch schon 25 Jahre und sicher keine Teenie mehr, der vielleicht doch leichter beeinflussbarer ist. Aber als ich 15 war, gab es Myspace, ich war Fan von den ganzen Emo-Girls aus den USA und wollte aussehen wie auf ihren Fotos. Piercings und Tattoos hat mir meine Mutter damals (Gott sei Dank) verboten, also blieb ich beim Fake-Piercing um dazu zu gehören.
Ich muss gestehen, mir hat es geholfen in meiner Entwicklung. Wäre ich heutzutage ein Teenie, würde ich wahrscheinlich mit meinen Freundinnen unsere Kalender fotografieren (#plannergirls) und sexy Instagram-Bilder machen, die nicht wirklich altersgerecht wären. Jahre später würde ich dann erkennen, dass das alles eine Phase war, die dazu gehört um sich zu finden und einfach dämlich war. So wie ich jetzt über meine Emophase denke. Ich hätte damals auch besseres mit meiner Zeit anfangen können, als mir auf Myspace Bilder anzusehen, zum Beispiel Französisch lernen – Etwas das ich jetzt ein wenig bereue, wenn ich in Paris bin und nur ein Glas Rotwein bestellen kann.

Als ich bei der Vogue gearbeitet habe, war ich täglich mit Dingen umgeben, die nichts mit meiner „wirklichen Realität“ zu tun hatten, und dennoch haben wir uns im Closet mit Givenchy eingekleidet und Fotos damit gemacht. Dabei könnte ich mir keines dieser Outfits leisten. Ich habe aber unter keines der Bilder gepostet: „Kann ich mir nicht leisten, probiere ich nur heimlich an und hoffe, dass es meine Chefin nicht sieht“. Warum auch. Ich hatte auch nicht die Ambition so zu tun als ob ich mir das leisten könnte. Das Essena – ich kannte sie bis zu dem Hype nicht – anscheinend ihre bezahlten Posts nicht gekennzeichnet hat, finde ich hingegen bedenklich. Das ist jetzt auch nur eine Vermutung, weil sie es jetzt nachträglich dazu schreibt. Wenn ich bei einer Bloggerin lese, dass der Post bezahlt ist, denke ich mir nicht viel dabei. Denn ich hoffe, dass die meisten dennoch ehrlich sind und sich nicht in sexy weiße Fetzen werfen, nur des Geldes Willen. Wenn sie ein Produkt bewerben und gut finden, why not!

Das man ab und zu mal mehr, als nur ein schnelles Foto macht, sondern vielleicht 20, finde ich auch nicht so schlimm. Warum auch nicht?

Und da ist dieses Mädchen, welches heulend sagt, dass das Leben mehr ist als Instagram. Ähm sorry, das hoffe ich mal. Wenn sie anscheinend erst jetzt drauf gekommen ist, kann ich mir leider einiges nicht verkneifen, aber lassen wir das mal beiseite. Und warum heult sie? Weil sie so viel Anerkennung dafür bekommt, dass sie gegen Likes und den Hunger nach Anerkennung schimpft?

Ich sage nicht es ist schlecht, dass sie zeigt was es heißt abhängig zu sein. Nur sehe ich nicht so viel verwerfliches im Social Media Wahnsinn. Der Wahnsinn gibt uns die Möglichkeit, nicht nur uns, sondern unsere Arbeit zu präsentieren, Jobs dadurch zu bekommen und ich sehe oft genug sehr positive Aspekte vorallem im sozialen Bereich.

Mir geht es nicht schlechter oder besser, wenn ich euch mein Badezimmer im Jetzt-Zustand zeige oder nur einen schön dekorierten Teil davon. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich es nicht für nötig befinde, euch alles von mir zu zeigen, sondern ein Stückweit gerne mein Leben für mich habe. Mein Chaos, meine Jogginghose und mein Pickel auf der Wange. Ihr bekommt dafür die Momente, die ich mit euch teilen möchte, egal ob schön oder weniger ästhetisch.

Was mich wohl am meisten an ihr stört ist, dass sie über andere urteilt und gleichzeitig sagt, wie sehr die darunter gelitten hat, dass die Leute das mit ihr machen. Ich persönlich halte Essena O’Neill nicht für „real“. Aber ich finde es toll, dass sie ihren Weg gehen will und jetzt ihre Fans anfragt, dass sie ihr Geld spenden, damit sie mit ihrem Projekt weiter machen kann.

Wie denkt ihr über das Thema?  

11 Comments

  • Teepapst sagt:

    Toll & authentisch geschrieben! Danke für Deinen Post, hat die ganze Story für mich gut nochmal erklärt 😉

  • Julia K. sagt:

    Danke für deinen Beitrag, du sprichst mir da aus der Seele.
    Ich finde das Ganze etwas überzogen – und schlussendlich bedeutet es ja für Essena doch einiges, wenn sie Zustimmung für ihr ’neues‘ Leben erhält.
    Ich denke, sie muss erst noch ihren Weg finden, denn ganz real und natürlich erscheint mir das noch nicht.

    Liebe Grüße,

    Julia
    http://www.lifefullof.com/

  • Sara sagt:

    Hey Leonie, erst mal – dickes Kompliment, ich find‘ dein Schreibstil einfach genial! Es wirkt authentisch und man liest den Post einfach gerne.
    Zum eigentlichen Thema: Ich hab‘ selbst drüber nachgedacht (und tu’s noch immer), was dazu zu schreiben und im Endeffekt stimme ich dir zu. Ich persönlich finde das Ganze wirkt wie ne ziemlich clevere Marketingstrategie – immerhin kennen sie jetzt definitiv mehr Leute als zuvor. Damit meine ich nicht, dass ich glaube, dass sie das nicht ernst meint was sie sagt, ich find’s einfach nur etwas hysterisch aufgezogen und mir persönlich ist sie einfach zu wenig differenziert. Weil mal ganz ehrlich – nicht jeder Mensch in LA ist unglücklich, und nicht alles auf Instagram etc ist Fake. Klar, ich poste auch lieber Bilder wenn ich mich gut fühle, wenn ich an einem schönen Ort bin oder ein leckeres Essen vor mir habe und nicht wenn ich mega schlecht gelaunt in Jogginghose beim Accounting lernen sitze. Was daran jetzt allerdings so ultra Fake sein soll weiß ich nicht. – Es ist, wie du eben auch schon sagst einfach ein gewisser Ausschnitt aus unserem Leben. Und eigentlich sollte jedem klar sein, dass hinter ’nem schönen Selfie wahrscheinlich 20 ziemlich missglückte stecken, auf denen man aussieht wie Kim K, die versucht hochattraktiv in die Linse zu starren (und dabei eher aussieht wie n toter Fisch, – meine Meinung;) ).
    However – guter Post, seh‘ ich genauso wie du!
    Schönen Sonntag dir noch:) Liebe Grüße, Sara

    • Sara sagt:

      Ups und sorry for die lange Antwort – ist n bisschen ausgeartet! 😀

    • Liebe Sara,

      großes Komplimet zurück für dieses lange Kommentar- ich schätze es sehr, wenn sich jemand die Mühe für ein Kommentar macht.
      Mir ist sie defintiv zu hysterisch und allein wie sie in ihren videos wirkt, ist sie mir ziemlich unsympatisch.
      Ich fand den Video Beitrag von einem Freund von ihr, der in LA wohnt ziemlich gut. Der eben auch sagt, dass er sich dadurch schon ein wenig angegriffen fühlt. weil er happy ist in LA.
      ich denke keiner zeigt sich sehr gerne in einer situation oder an einem ort, wo er sich unwuhl fühlt. ich denke nur daran wo ich fotos gemacht habe damals als kind mit meiner analog kamera. das waren auch immer nur schöne plätze.

      haha dein kim beispiel liebe ich !!

      danke dir für das nette kommentar !!

      liebste grüße leonie

  • Lisa sagt:

    Toller Beitrag! Auch wenn mittlerweile so viele ihre Sicht der Dinge geschildert haben, muss ich sagen dein Beitrag hat mir besonders gefallen ☺ Du schreibst wirklich gut und ich stimme dir großteils auch zu – immer angenehm so jemanden zu finden ☺

    Liebe Grüße
    Lisa

    htpps://lililovely.wordpress.com

    • Liebe Lisa,

      ich habe den Beitrag am Mittwoch geschrieben. Aber ich veröffentliche meine Gedanken immer lieber nach etwas Bedenkzeit. Es freut mich daher umso mehr, wenn er dir gefallen hat. 🙂

      Liebste Grüße Leonie

  • Josephine sagt:

    So true! Ich sehe das haargenau wie du..
    Mein Gott, jedem halbwegs normalem (Teenie-) Menschen sollte es klar sein, dass Instagram nicht immer unbedingt real life ist 🙂

    Viele liebe Grüße an dich <3
    http://littlediscoverygirl.de

  • Stefanie sagt:

    ich denke, Essena ginge es nicht primär um diese kleinen, netten, ‚zufällig‘ gut beleuchteten Bilder ihrer Lippenstifte.
    Vielmehr sollte es darum gehen, dass sie für ein einziges instagram-Bild von ihr, wie sie sagt, mehrere Stunden fotografiert. Dass diese Bilder am Strand, die nach Entspannung und ‚purem Glück‘ aussehen sollen, einfach Anstrengung und, in gewisser Hinsicht, Druck bedeuten, ist, denke ich, der wahre Grund ihres Postings.
    Nichts gegen dich oder Blogger deiner ‚Größe‘, aber wenn man 500k+ Leute hat, die einen tagtäglich verfolgen, ist das, denke ich, eine ganz andere, unvergleichbare Situation, als ‚fast schon unbemerkt‘ hier in Österreich ‚vor sich hin zu bloggen’…
    …und, dass im Endeffekt für Bilder, die du mittlerweile auf jedem zweiten Profil siehst und die ‚meines Erachtens nach‘ mit Inspiration, Authentizität und schlussendlich mit dem ‚realen Leben‘ nicht viel gemein haben.
    Solange du von deiner Tätigkeit, egal was du machst, leben und deine Rechnungen begleichen kannst, ist doch alles super. Dass es aber ins Gegenteil, in vielen Fällen schon in eine Depression, umschwenken kann, wenn es dein ‚Job‘ bzw. ein großer Teil deines Lebens ist, Fotos von dir zu machen, ist auch keine Seltenheit mehr.

    • Liebe Stefanie, danke dir für dein kommentar. 🙂
      ich denke aber, dass auch das große österr. blogger -> dariadaria, vicky heiler und co keine 5 stunden am strand verbringen würden für ein instagram bild. offensichtlich wurde essena es zu viel, das macht social media nicht gleich unreal. wenn sie sagt sie hat ihre bilder gestellt und vieles davon ist unreal, finde ich das schade und unnötig aber ich glaube, dass sie einfach ein junges mädchen ist, die gerne erwachsen wirken wollte. welche 16 jährige hat sich nciht schonmal extrem geschminkt, aber nur für zuhause. also ich zumindest habe dies für meinen teil gemacht.
      ich habe andy torres (622kfollower allein auf insta) in meiner zeit in amsterdam kennen gelernt. und sie hat mir damals gesagt, dass besonders persönliche sachen, wie ihre damalige trennung auf SocialMedia nerven. Da Leute sich das recht einräumen dafür zu ureilen, aber sie daraus gelernt hat, dass sie weniger veröffentlicht in die hinsicht. und sie hat sich auch darüber geäußert dass sie für sich auch nicht weiß, ob sie immer ihr gesicht zeigen will um geld zu verdienen. nur schätze ich größen wie sie nicht so ein, daraus eine story zu machen und diese wieder zu verkaufen. ich bin sehr skeptisch wenn jemand anfängt alles schlecht zu machen, über andere urteilt und das alles (in meinen Augen) sehr darauf abzielt noch größer zu werden.

      liebe grüße leonie

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